Zu nett für diese Welt? Ein
verblüffendes Selbstexperiment

Zu nett für diese Welt? Ein verblüffendes Selbstexperiment

Über mich: der nette Nils

Ich heiße Nils und arbeite seit einigen Jahren in einer mittelgroßen Firma im Kundenservice. Meine Kollegen beschreiben mich als netten Kerl, immer bereit zu helfen. Diese Eigenschaft bringt mich jedoch manchmal in knifflige Situationen, da ich Schwierigkeiten habe, Nein zu sagen. Ich sage nämlich meistens „Ja“, wenn mich jemand um etwas bittet, selbst wenn mein eigener Schreibtisch bereits gut gefüllt ist. Dadurch komme ich manchmal in Zeitnot. Da ich mich aber bereit erklärt habe, all die Aufgaben zu übernehmen, möchte ich versuchen, dem auch gerecht zu werden. Ich mag meinen Job. Läuft aber was nicht ganz optimal, mache ich mal einen kleinen Fehler, nimmt mich das ganz schön mit. Freunde sagen, dass ich nicht alles so persönlich nehmen soll und ich mir viel zu viele Gedanken mache. Daher habe ich beschlossen, mich damit aktiv auseinanderzusetzen.

Mein Experiment: die „Geht mir am Arsch vorbei“-Liste

Auf der Suche nach Strategien, wie ich manche Sachen in der Arbeit lockerer sehen kann, bin ich vor einigen Wochen auf das „Geht mir am Arsch vorbei“-Experiment gestoßen, und ich beschloss, es auszuprobieren. Das Ziel des Experiments ist es, sich mental zu stärken, also seine Resilienz zu stärken und die eigene Fähigkeit zu verbessern, mit Stress und unangenehmen Situationen umzugehen.

Der Plan war einfach: Ich druckte eine Liste mit Situationen aus, die mir im Alltag passieren und die mich belasten. Jedes Mal, wenn ich mit einer solchen Situation konfrontiert wurde, machte ich einen Strich bei dem entsprechenden Punkt auf der Liste. Zusätzlich nahm ich mir jeden Abend zehn Minuten Zeit, um über die Ereignisse des Tages nachzudenken. Ich wollte lernen, stolz darauf zu sein, was mir alles im Alltag passiert ist und auch was mir „am Arsch vorbeigegangen“ war. Das Experiment sollte mir helfen, einen lockeren Umgang mit diesen Situationen zu entwickeln und mich nicht zu sehr von ihnen stressen zu lassen.

Die Punkte auf meiner Liste

Hier sind einige der Punkte, die ich auf meine „Geht mir am Arsch vorbei“-Liste gesetzt habe:

  1. Es ging etwas schief, was nicht meine Aufgabe war – Manchmal werde ich mit Problemen konfrontiert, die eigentlich nicht in meinem Verantwortungsbereich liegen.

  2. Ein Kollege hat einen Fehler gemacht, und ich muss es ausbügeln – Fehler anderer fange ich mit ab, aber das gehört zum Alltag.

  3. Ein Kunde ist sauer auf mich, obwohl ich nur der Übermittler einer schlechten Nachricht war – Kundenreaktionen sind nicht immer fair, und das muss ich akzeptieren.

  4. Prioritäten waren unklar – Unklare Anweisungen führen manchmal zu Missverständnissen.

  5. Erwartungen waren von Anfang an unrealistisch – Unrealistische Vorgaben setzen mich unnötig unter Druck.

  6. Unrealistische „dringende“ Kundenanfrage – Kunden fordern oft Dinge, die in der gewünschten Zeit einfach nicht machbar sind.

  7. Als „Kindergärtner“ zwischen Kollegen – Es ärgert mich, wenn ich Konflikte zwischen Kollegen schlichten muss, weil sie nicht miteinander klarkommen.

  8. Projekte retten müssen, die andere verbockt haben – Häufig werde ich gebeten, Projekte zu übernehmen, die aus dem Ruder gelaufen sind.

  9. Kritik, die ich nicht verdiene – Unberechtigte Kritik nagt an mir, aber ich arbeite daran, mich davon weniger beeinflussen zu lassen.

  10. Es wurden Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen – Ich fühle mich übergangen, wenn wichtige Entscheidungen ohne meine Einbeziehung getroffen werden.

Reflexion und Erkenntnisse

Tag 1

Am ersten Tag meines Experiments fühlte ich mich ein wenig unsicher. Ich hatte meine „Geht mir am Arsch vorbei“-Liste ausgedruckt und gut sichtbar auf meinem Schreibtisch platziert. Schon am Vormittag machte ich meinen ersten Strich bei „Ein Kunde ist sauer auf mich, obwohl ich nur der Übermittler einer schlechten Nachricht war“. Normalerweise hätte ich mich lange darüber geärgert, aber das bewusste Markieren auf meiner Liste half mir, die Sache auch gedanklich schneller abzuhaken. Die abendliche Reflexion machte mir bewusst, dass solche Situationen tatsächlich häufiger vorkommen, als ich dachte, aber auch, dass sie nicht so dramatisch sein müssen.

Tag 2

Der zweite Tag begann chaotisch. Ein Kollege hatte bei einer Aufgabe geschlampt, und ich sprang ein, um den Schaden zu begrenzen. Es gab gleich zwei Striche für „Es ging etwas schief, was nicht meine Aufgabe war“ und „Ein Kollege hat einen Fehler gemacht, und ich muss es ausbügeln“. Während meiner 10-minütigen Reflexionszeit am Abend wurde mir klar, wie sehr mich diese Dinge normalerweise stressen. Doch das Bilanzziehen half mir, die Verantwortung gedanklich loszulassen.

Tag 3

Es war ein ruhiger Tag im Büro, aber ich hatte eine unangenehme Begegnung mit meinem Chef. Ich wurde für etwas verantwortlich gemacht, das außerhalb meiner Kontrolle lag. Zwei Striche für „Kritik, die ich nicht verdiene“. In meiner Reflexion versuchte ich, die Perspektive zu ändern. Ich hatte mein Bestes gegeben, und mein Chef stand selbst unter Druck, weshalb er vorschnell geurteilt hatte. Diese Gedanken halfen mir, den Frust des Tages endgültig abzuhaken.

Tag 4

Ein weiteres typisches Bürodrama: Unklare Prioritäten und unrealistische Erwartungen führen dazu, dass man „falsch“ liegt. Zwei Striche für „Prioritäten waren unklar“ und „Erwartungen waren von Anfang an unrealistisch“. Am Abend dachte ich darüber nach, wie ich in Zukunft klarer kommunizieren könnte, um solche Missverständnisse zu vermeiden. Dabei erkannte ich, dass ich mich nicht für alles verantwortlich fühlen muss, aber durchaus Einfluss nehmen kann.

Tag 5

Heute musste ich „Kindergärtner“ für zwei Kollegen spielen, die sich nicht einigen konnten. Ein Strich für „Als „Kindergärtner“ zwischen Kollegen“. Die Reflexion half mir, die Absurdität der Situation zu erkennen und diese mit einem Lächeln abzuhaken, denn die Ursache für den Zwist war eigentlich eine Kleinigkeit.

Tag 6

Ein Projekt, das schon länger lief, geriet ins Stocken, weil Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen wurden. Hätte man mich mal gleich gefragt! Zwei Striche für „Es wurden Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen“. Abends reflektierte ich darüber, wie ich in solchen Situationen proaktiver kommunizieren könnte, um meine Position klarzumachen.

Tag 7

Der letzte Tag der Woche brachte eine ungewöhnlich dringende Anfrage von einem Kunden, die in der geforderten Zeit nicht machbar war. Ein weiterer Strich für „Unrealistische ,dringende‘ Kundenanfrage“. Bei der abendlichen Reflexion bemerkte ich, dass ich solche Situationen mittlerweile besser loslassen konnte, ohne mich großartig darüber zu ärgern.

Fazit der Woche

Nach einer Woche mit der „Geht mir am Arsch vorbei“-Liste fühle ich mich deutlich entspannter. Das Markieren und Reflektieren hat mir gezeigt, wo ich Einfluss nehmen kann und wann es besser ist, loszulassen. Ich habe erkannt, dass ich in manchen Situationen gelassener bleiben sollte, während ich in anderen den Mut haben muss, aktiv zu werden. Der Perspektivenwechsel half mir, Reaktionen, wie die meines Chefs im Affekt, nicht mehr persönlich zu nehmen. Insgesamt hat das Experiment mir verdeutlicht, dass Resilienz bedeutet, gezielt Einfluss zu nehmen und unnötigen Stress loszulassen.

In Zukunft werde ich die Liste weiterführen und möglicherweise ergänzen. Sie erinnert mich daran, dass es in Ordnung ist, sich nicht um alles kümmern zu müssen und dass mein Wohlbefinden Priorität hat. Dieses kleine Experiment hat mir gezeigt, dass Resilienz vor allem bedeutet, die Kontrolle über die eigenen Reaktionen zu behalten und sich nicht von externen Faktoren dominieren zu lassen.

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